Wie Freiwilligenarbeit professionell wird
Nach der Begrüssung durch Kirchenrat und Kursleiter Pfarrer Paul Welllauer warf Kursleiterin Maya Hauri Thoma beeindruckende Zahlen in die Runde: 28 Millionen Stunden Freiwilligenarbeit wurden 2020 in der Kirche geleistet. Die grösste Gruppe der Freiwilligen ist zwischen 60 und 74 Jahre alt, die zweitgrösste 45 bis 60 Jahre. Maya Hauri Thoma ist Fachbereichsleiterin Diakonie in der evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St. Gallen mit der Projektstelle Hochaltrigkeit und Demenz. Sie hat seit 20 Jahren beruflich mit dem Thema Freiwilligenarbeit zu tun. «Der Kopf ist dazu da, damit Gedanken eine andere Richtung nehmen können», sagte sie und schickte die Teilnehmenden aus acht Kirchgemeinden mit folgender Aufgabe in die erste Diskussionsrunde: Was muss man tun, damit man Freiwillige loswird? In Vierergruppen wurde intensiv diskutiert und notiert: Nie danke sagen! Keine neuen Ideen zulassen! Informationen nicht weitergeben! Immer kritisieren!
Erwartungen der Freiwilligen
Während der Präsentation der zusammengetragenen Voten kommentierte Maya Hauri Thoma pointiert einige Aussagen: Wozu eine Verdankung oder ein Mitarbeitenden-Essen, sie machen das ja für Gottes Lohn. Wozu neue Ideen, wir machen das immer so. Natürlich drehte sie den Spiess dann um und sprach von den Erwartungen, die Freiwillige haben dürfen. Eine Ansprechperson etwa oder eine Einführung in die Organisation sowie einen regelmässigen Austausch. Umgekehrt gibt es auch Verbindlichkeiten wie Schweigepflicht oder rechtzeitige Information bei Unzufriedenheit seitens Freiwilliger. All diese Punkte sind im «Leitfaden zur Freiwilligenarbeit» aufgeführt, darunter auch eine Vorlage für ein Personalblatt für Freiwillige, das sie sehr empfiehlt. Hauri Thoma sagte dazu: «Darin können unter anderem Fähigkeiten und berufliche Kenntnisse festgehalten werden. Aber auch Einsatzgebiete, die nicht in Frage kommen.» Für Kursleiter Daniel Frischknecht, Beauftragter für Mitarbeiterförderung, ist das Konzept zur Freiwilligenarbeit dann von grossem Nutzen, wenn eine damit betraute Person die Behörde verlässt. «Im Alltag geht oftmals einiges vergessen, da ist ein Leidfaden mit Strukturen und Richtlinien hilfreich», so Frischknecht.
Konzept muss leben
Seit der letztjährigen ersten Tagung haben sich die drei Kirchgemeinden Altnau, Amriswil und Romanshorn-Salmsach eingehend mit der Erstellung eines Konzepts beschäftigt. Dreimal haben sich Vertreterinnen und Vertreter aus diesen Kirchgemeinden mit Daniel Frischknecht zur Intervision getroffen. Nun präsentierten sie ihre Erkenntnisse. «In Romanshorn ist die Freiwilligenarbeit dank meiner Vorgängerin schon länger verankert», sagte Jeannette Tobler, Präsidentin der Kirchenvorsteherschaft. Es gibt eine Arbeitsgruppe, die sich dem Thema Freiwilligenarbeit annimmt. In Amriswil hat man laut Präsidentin Claudia Schindler ein Grundlagenpapier erarbeitet und dabei viele praktische Fragen beantwortet wie etwa der Einfluss auf das Budget. In Altnau hingegen sei man laut Pfarrer Uwe John eher klein aufgestellt und deshalb «an einem anderen Ort». Viele Fragen sind noch offen, vieles unstrukturiert. Das Zentrale an einem Konzept aber ist: Es darf kein Papiertiger sein, sondern muss leben.
Damit die Arbeit in den Gemeinden weitergeht, haben sich wiederum jeweils mehrere Gemeinden zu Intervisionsgruppen zusammengeschlossen, um sich bei der Konzeptarbeit gegenseitig zu ermutigen und zu unterstützen.
Claudia Koch