Ist KI ein besserer Gott?

Christina Aus der Au, Kirchenratspräsidentin der Evangelischen Landeskirche des Kantons Thurgau, philosophiert an der Tagung «Grenzdenken» über Künstliche Intelligenz.

Kirchenratspräsidentin Christina Aus der Au referierte an der Tagung "Grenzdenken" über Künstliche Intelligenz. Foto: Inka Grabowsky

Weit aus ihrer Komfortzone habe sie sich gewagt, sagt die Präsidentin der Evangelischen Landeskirche des Kantons Thurgau, Christina Aus der Au. Beim Kongress «Grenzdenken» auf dem Lilienberg in Ermatingen hielt sie vor Interessierten aus der Wirtschaft einen Vortrag zur Frage «Ist Künstliche Intelligenz ein besserer Gott». Die Theologin und Philosophin verglich die KI mit dem traditionellen Gottesbild. «Die KI ist sozusagen allwissend. Sie ist überall präsent. Und sie könnte allmächtig werden. Wenn wir bequem werden, und all unsere Fähigkeiten an die Computer abgeben, dann ist das denkbar.» 

Nicht ewig und nicht automatisch gütig
«Ewig» ist die KI noch nicht. Wenn allerdings die vom Computerwissenschaftler Ray Kurzweil postulierte «Singularität» eintreten würde, dann wäre das gesamte Universum «die KI», und sie wäre dann nicht mehr abschaltbar. Auch beim Punkt «allgütig» überzeugt die KI nicht. «Die EU hat nicht umsonst ein Regelwerk in Kraft gesetzt, um die Risiken zu begrenzen. Auf der anderen Seite fühlt man sich verstanden und geborgen, wenn man mit einer KI chattet. Sie ist geduldig, hört zu und antwortet immer umgehend.» 
 

Ersatzreligion
In Kalifornien gibt es bereits eine Kirche, in der Künstliche Intelligenz als Gottheit verehrt wird. «Es ist den Gläubigen schon bewusst, dass die Menschen die KI erfunden haben. Aber sie glauben, dass, auch wenn der ‹alte Gott› die Erde schuf, der ‹neue Gott KI› die Erde retten wird, weil sie vernünftige Entscheidungen für uns trifft. Das nennt sich dann Christianity 2.0.»

Das Grösste
Bei aller Faszination der Künstlichen Intelligenz hat Christina aus der Au ein gewaltiges «Aber». Sie greift in ihrem Referat auf Anselm von Canterbury zurück: Gott sei das Grösste, was gedacht werden kann. «Wenn KI das Grösste ist, verlieren wir unsere individuelle Freiheit für etwas, das aus unseren Daten entstanden ist, aber zunehmend selbstreferentiell wird. Wenn der Mensch als Programmierer der KI das Grösste ist, bleiben wir in unseren Subjektivitäten und unseren Egoismen gefangen. Nur wenn Gott das Grösste ist, dann bleibt er für unser Erkennen zwar ambivalent, aber er bleibt das ganz Andere, auf das wir uns beziehen können.» Es mache uns zu besseren Menschen, dass es etwas gäbe, was grösser sei als der Mensch. Die Kirchenratspräsidentin schliesst mit Luther: «Woran Du Dein Herz hängst, das ist Dein Gott. Du bist, was Du zu sein wählst.»